Workshopbericht – Große Anforderungen an kleine Textfelder: Ethische Fragen an Metadaten historischer Quellen

Die Geschichts- und Kulturwissenschaften und ihre Infrastruktureinrichtungen sind zunehmend bestrebt, Forschungsdaten zu historischen Beständen aus ethisch-sensiblen Kontexten aufzubereiten. Erste Ansätze zum Umgang mit datenethischen Fragen wie die Formulierung der CARE Prinzipien „for Indigenous Data Governance“, Vorschläge für diskriminierungsfreie Metadaten oder individuelle Lösungen einzelner Einrichtungen bestehen bereits oder befinden sich in der Entwicklung. Hier setzte der Workshop „Große Anforderungen an kleine Textfelder: Ethische Fragen an Metadaten historischer Quellen“ an und schuf Raum für Diskussionen um Bedarfe und Lösungsansätze. Der Workshop fand am 21. und 22. November 2024 am Herder-Institut in Marburg und online statt und wurde unter gemeinsamer Initiative von NFDI4Memory Task Area Data Quality und DARIAH-DE organisiert.

Am ersten Tag skizzierten Peggy Große und Mario Kliewer einleitend vorhandene Diskurse und Standards der Datenethik in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Es wurde deutlich, dass ethische Aspekte schon lange implizite Bestandteile der Forschungspraxis sind, ihre konkreten Umsetzungen vor allem im Rahmen von Metadaten aber noch weitestgehend Desiderate darstellen. Dass dennoch Bedarfe an Richtlinien und praktischen Anleitungen bestehen, verdeutlichten Grischka Petri und Oliver Vettermann anschaulich mit ihrem Bericht aus dem Alltag des NFDI4Culture-Legal-Helpdesks. Sie fokussierten dabei insbesondere auf die Heterogenität der jeweiligen Bestände, für die kaum systematische oder pauschale Lösungen ethischer Herausforderungen gemacht werden können. Diesen Befund erweiterte Michaela Rizzolli mit ihrem Vortrag zu den CARE Principles for Indigenous Data Governance um eine ethische Sichtweise aus den ethnologischen Disziplinen. Die CARE-Prinzipien seien demnach nur eingeschränkt über den historischen Entstehungskontext und die anschließende Weiterentwicklung der Prinzipien hinaus verwendbar. Insgesamt wurde der Bedarf fachspezifischer Richtlinien und Praktiken deutlich.

Im nächsten Panel widmete sich eine Reihe von Beiträgen konkreten Projekterfahrungen. Noёlle Schnegg und Levyn Bürki stellten das “Handbuchprojekt zur Erstellung diskriminierungsfreier Metadaten für historische Quellen und Forschungsdaten” vor, das als Living Document in Zusammenarbeit mit der Community weiter ausgebaut und um zusätzliche Dimensionen ergänzt werden soll. Lisa Quade berichtete über den Aufbau des Portals „Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ der Deutschen Digitalen Bibliothek. In enger Abstimmung mit deutschen Kulturerbeeinrichtungen und Expert:innen aus Herkunftsländern wurden verschiedene Präsentationsformen für ethisch sensible Materialien entwickelt. Anschließend zeigte Johannes Wolff in einem Werkstattbericht aus der Deutschen Fotothek anhand des von 2015 bis 2017 in Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden durchgeführten DFG-Projekt “Weltsichten”, wie Aspekte eines sensiblen Umgangs mit Fotografien aus ethisch problematischen Zusammenhängen umgesetzt wurden. Zugleich betonte er, dass ethische Ansprüche nicht selten mit Förderrichtlinien für Massendigitalisierung, technischen Möglichkeiten und pragmatischen Entscheidungen in Konflikt stehen können. Der erste Tag endete mit einem Impuls zur Rolle von Entitäten in Metadatenschemata von Eike Martin Löhden. Er stellte das Konzept von Entitäten Modellen in modernen Repositorien vor und illustrierte es anhand eines Beispiels des Marburger Urkundenrepositoriums.

In den zum Teil kontrovers geführten Anschlussdiskussionen, die unter anderem die Widersprüche zwischen aktuellen Open-Data-Anforderungen in Förderrichtlinien und ethischen Rahmensetzungen verdeutlichten, zeigte sich, dass ethisch sensibilisierte Praktiken an allen Stellen des Datenlebenszyklus verankert werden müssen.

Am zweiten Workshoptag wurden Hands-On bestehende Ansätze und Lösungsvorschläge an konkreten Beispielen diskutiert. In vier Gruppen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, Herausforderungen bei der Zuordnung von Metadaten zu ethisch sensiblen Materialien aus den Beständen des Herder-Instituts zu erörtern und mögliche Lösungsansätze vorzustellen. In allen Gruppen wurde lebhaft darüber diskutiert, wie bspw. mit Namen umzugehen ist, wie man Schlüsselwörter wählt, eine ausreichende Beschreibung erstellt oder mittels Disclaimer Hinweise auf sensible Materialien in das Frontend/die Nutzeroberfläche einbindet.

Die vielfältigen Vorschläge zum Umgang mit ethisch sensiblen Informationen und der Änderung oder Erweiterung vorhandener Metadatenschemata ergänzten die theoretischen Aspekte der Diskussionen des ersten Tages um praktische Lösungsansätze und zeigten Perspektiven auf, wie man mit Hilfe kleiner (oder größerer) Textfelder, aber auch durch Verlinkungen anderer Ressourcen, der Einbindung von Normdaten und vielem mehr den vielschichtigen ethischen Anforderungen der historischen Bestände besser gerecht werden kann.

Autor:innen: Anna Pravdyuk, Grigori Chlesberg, Mario Kliewer, Peggy Große, Anna-Lena Körfer und Ole Meiners


Foto: Claudia Junghänel